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Sie sitzen gemeinsam mit potenziellen Auftraggebern bei einem wichtigen Geschäftsessen und es gibt eine Mohn-Nachspeise. Nun haben Sie ein Problem: Während eines solch entscheidenden Gesprächs möchten Sie natürlich nichts zwischen den Zähnen hängen haben. Also kontrolliern Sie mit der Zunge. Dieses Spielen mit der Zunge im Mund, das Sie in der Mimikresonanz®-Profibox unter den mimischen Signalen von Mund und Kinn finden (F3.16), kann aber nicht nur diesen pragmatischen Hintergrund haben.

Was das Spielen mit der Zunge im Mund bedeuten kann

Das Spielen mit der Zunge im Mund ist eine typische Beruhigungsgeste und kann auf erhöhten Stress hinweisen. Da die Amygdala im limbischen System durch innere Prozesse wie emotionalen Stress stimuliert wird, können die Bewegungen der Zunge unwillkürlich ausgelöst werden.

Wie bei allen Signalen gilt aber auch hier, dass Sie stets den Gesamtkontext betrachten müssen. So kann Ihr Gegenüber wie im Beispiel oben einfach nur checken, ob Etwas zwischen den Zähnen steckt, oder es ist doch ein Hinweis auf ein erhöhtes Stresslevel. Achten Sie zudem genau auf die Dynamik des Signals. Denn bewegt sich die Zunge nicht, sondern wird lediglich von innen beispielsweise gegen die Lippen gedrückt, kann dies auch ein Zeichen für Konzentration oder einen inneren Dialog sein.

Wie auch andere Stresssignale, z.B. vermehrtes Lippenlecken und schnelles Blinzeln, transportiert das Spielen mit der Zunge im Mund Nervosität. Insbesondere in Situationen, wo wir jemanden überzeugen möchten, mindert diese Bewegung unsere Kompetenzwirkung. Gleichzeitig lassen uns Stresssignale in dosierter Form zwischenmenschlich wärmer wirken, vermutlich indem sie Empathie und Mitgefühl bei anderen hervorrufen.

So erkennen Sie das Spielen mit der Zunge im Mund

Um das Signal zielsicher zu entschlüsseln, achten Sie auf folgende Merkmale:

  • die Zunge wird innen gegen die Wange gedrückt, sodass sich eine Wölbung zeigt
  • die Zunge fährt über die Wange oder Zähne

Beruhigung für Mensch und Tier

Machen wir ein kleines Experiment: Fahren Sie zum Test bitte einmal mit der Zunge und einmal mit dem Finger über Ihre Zähne. Sie werden merken, dass Sie die Zahnoberfläche mit der Zunge wesentlich genauer wahrnehmen. Denn die Zunge ist im sensorischen Cortex mit am größten repräsentiert, also dem Teil der Großhirnrinde, in dem die haptische Wahrnehmung verarbeitet wird. Empfindungen werden hier deshalb besonders fein und intensiv gespürt, trotz der nur kleinen Bewegungen. Und Berührung wiederum schüttet in unserem Gehirn das Kuschelhormon Oxytocin aus, das direkt stress- und angstlösend auf die Amygdala im limbischen System wirkt.

Dies gilt übrigens nicht nur bei Menschen, sondern auch bei Tieren. Gerade das Spielen mit der Zunge ist eines der stereotypischen Verhaltensweisen von Bullen und Kühen. Es reguliert das Arousal und sorgt so dafür, dass die Herzfrequenz der Tiere sinkt.

Quellen

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Über den Autor: Dirk W. Eilert

Dirk W. Eilert, Jahrgang 1976, ist Experte für emotionale Intelligenz und Entwickler der Mimikresonanz®-Methode sowie des emTrace®-Coachingansatzes. Als einer der führenden Mimik- und Körpersprache-Experten im deutschsprachigen Raum ist seine Expertise regelmäßig in Radio, TV und Printmedien gefragt. Dirk W. Eilert ist verheiratet und hat zwei Töchter. Er lebt in Berlin und leitet dort seit 2001 die Eilert-Akademie.

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