Teilen Sie diesen Artikel!
In Zeiten von Corona wissen viele heutzutage gar nicht mehr, wie sie sich begrüßen sollen, sofern die Begegnung etwas förmlicher ist. Denn das klassische Händeschütteln ist aus Hygienegründen eigentlich tabu. An die Stelle der typischen Hand-zu-Hand-Berührung – so heißt dieses Signal des interpersonellen Bewegungsverhaltens in der Mimikresonanz®-Profibox – ist inzwischen das Ellenbogen an Ellenbogen getreten. Aber auch das weist darauf hin, dass die Bekanntschaft eher neutral ist, wohingegen ein Kuss (eine Mund-zu-Mund-Berührung) oder eine Hand-zu-Kopf-Berührung schon mehr Intimität verdeutlicht.
Der Ort der Berührung (I3.1 im Wholeception Objective Coding System) sagt also eine ganze Menge über das Verhältnis zwischen zwei Personen aus.
Was der Ort der Berührung bedeuten kann
Bei einem Vorstellungsgespräch werden Sie Ihre:n Gesprächspartner:in wohl eher selten zur Begrüßung umarmen. Die interpersonelle Nähe ist in der Situation nicht gegeben. Der Ort der Berührung sagt also primär etwas über die emotionale Nähe und Intimität zwischen zwei Personen aus.
In welchem Stadium der emotionalen Nähe sich welcher Ort der Berührung zeigt, lässt sich an Liebespaaren in westlichen Kulturen sehr schön verdeutlichen. Sie durchlaufen vom Kennenlernen bis zur Intimität in der Regel die folgende Reihenfolge der Berührungen:
- Hand-zu-Hand/Unterarm (bei der Begrüßung oder beiläufig, später auch „Händchenhalten“)
- Hand/Arm-zu-Schulter (Umarmung, eher freundschaftlich)
- Hand/Arm-zu-Taille (intimere Umarmung)
- Mund-zu-Mund (Kuss)
- Hand-zu-Kopf (z.B. ein Streicheln im Gesicht)
- Hand-zu-Körper (vor allem an intimeren Stellen)
- Mund-zu-Brust (meist sexuelles Vorspiel)
- Hand-zu-Genitalien (sexuelles Vorspiel/sexueller Akt)
- Genitalien-zu-Genitalien oder Mund-zu-Genitalien (sexueller Akt)
Je nach Höhe des Kussortes zeigt dieser ein unterschiedliches Statusempfinden an: Ein Kuss auf die Stirn ist in der Regel ein Ausdruck (elterlicher) Fürsorge, während der Handkuss eine Submission signalisiert. Hand-zu-Kopf-Berührungen und Kopf-an-Kopf-Berührungen (z.B. wenn man sich umarmt und dabei Stirn an Stirn ruht) sind im Besonderen ein Zeichen von Intimität und Vertrautheit zwischen zwei Menschen.
Berührung ist außerdem ein zentrales Element im Ausdruck von Mitgefühl und Dankbarkeit. Sie prägt unser ganzes Leben und macht uns zu sozialen Wesen. So erhöhen angenehme Berührungen den Spiegel des Bindungshormons Oxytocin, wodurch die Verbindung zwischen zwei Menschen gestärkt und Stress abgebaut wird. Eine US-Studie ergab außerdem, dass sich bei männlichen Probanden sogar die Blutdruckwerte verbesserten, nachdem sie vier Wochen lang dreimal wöchentlich jeweils 30 Minuten lang liebevoll berührt wurden.
Physischer Kontakt kann Stress lindern und auslösen oder uns beruhigen und Sicherheit geben. Und was für ein Gefühl fehlende Berührung hinterlässt, haben im Corona-Lockdown viele Menschen schmerzlich erfahren müssen.
So erkennen Sie den Ort der Berührung
Eine Person berührt eine andere Person an einem bestimmten Ort des Körpers, wobei es hierbei verschiedene Orte der Berührung gibt, wie Sie am obigen Beispiel sehen konnten. Wenn wir die sexuelle Komponente außen vor lassen, ergibt sich die folgenden Auflistung der Berührungsorte, bei der die Intimität von oben nach unten zunimmt:
- Hand-zu-Hand-Berührung
- Hand-zu-Arm-Berührung
- Hand-zu-Schulter-Berührung
- Hand-zu-Rücken-Berührung
- Hand-zu-Taille-Berührung
- Mund-zu-Mund-Berührung (Kuss)
- Hand-zu-Kopf-Berührung
- Hand-zu-Körper-Berührung
- Kopf-an-Kopf-Berührung
Die Macht der Berührungen
Wussten Sie, dass Frauen Berührungen deutlich stärker spüren als Männer? Die Haut von Männern ist ca. 20 Prozent dicker als die von Frauen, weshalb Frauen meist auch lieber kuscheln als Männer. Denn ihre Haut ist für die Berührungen empfindsamer. Hinzu kommen der weibliche Östrogenspiegel und fünfmal empfindlichere Oxytocin-Rezeptoren als bei Männern, wodurch die gleiche Menge Oxytocin bei Frauen um 500 Prozent stärker wirkt.
Aber nicht nur Frauen oder Liebespaare profitieren vom Oxytocin durch Berührungen, auch Sportteams erzielen bessere Leistungen, wenn sie sich öfter umarmen oder abklatschen. Das ergab eine Analyse von 30 Teams der National Basketball Association (NBA). Berührungen sind also in jeder Hinsicht positiv: Sie wirken als Liebes-Booster, stärken den Zusammenhalt und erhöhen die kooperative Leistung.
Quellen
Hertenstein, M. J., Holmes, R., McCullough, M., & Keltner, D. (2009). The communication of emotion via touch. Emotion (Washington, D.C.), 9(4), 566-573.
Holt-Lunstad, J., Birmingham, W. A., & Light, K. C. (2008). Influence of a “warm touch” support enhancement intervention among married couples on ambulatory blood pressure, oxytocin, alpha amylase, and cortisol. Psychosomatic medicine, 70(9), 976-985.
Kraus, M. W., Huang, C., & Keltner, D. (2010). Tactile communication, cooperation, and performance: an ethological study of the NBA. Emotion, 10(5), 745-749.
Moore, M. M. (2010). Human nonverbal courtship behavior—a brief historical review. Journal of Sex Research, 47(2-3), 171-180.
Morris, D. (1971). Intimate Behavior. New York, NY: Random House.
Morris, D. (2002). People Watching. The Desmond Morris Guide to Body Language. London: Vintage Books.
Rauland, M. (2007). Feuerwerk der Hormone – Warum Liebe blind macht und Schmerzen weh tun müssen. Stuttgart: S. Hirzel Verlag.