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„Wann hast du das letzte Mal jemandem einen Streich gespielt?“, fragen Sie einen Freund. Dieser macht eine Geste, als würde er etwas über seine Schulter werfen und antwortet: „Ach, das ist schon lange her, damals als Kind zuletzt.“ Mit dieser Handbewegung verdeutlicht er die Zeit, die sein letzter Streich zurückliegt. Solche Zeitrepräsentations-Gesten gehören in meiner Mimikresonanz®-Profibox zum Beobachtungskanal der Gestik und dort als Sonderform zu den redebegleitenden Gesten (G1.7).
Was Zeitrepräsentations-Gesten bedeuten können
Wie der Name schon treffend verrät, verraten diese Gesten, wie eine Person Zeit innerlich repräsentiert.
- dabei werden zwei klassische Formen unterschieden:
- die Zeitlinie verläuft vor dem Körper, meist von links nach rechts (sequenzielle Zeitwahrnehmung)
- die Zeitlinie verläuft durch den Körper, meist von hinten nach vorne (synchrone Zeitwahrnehmung)
- auch Mischformen dieser beiden Arten treten auf, z.B. diagonal verlaufend
Passen wir uns gestisch an die innere Zeitwahrnehmung unseres Gesprächspartners an (sitzt Ihnen die Person gegenüber, gestikulieren Sie z.B. nach rechts, wenn Sie über die Vergangenheit sprechen), fördert dies Nähe und Sympathie und erhöht so die Überzeugungskraft.
So erkennen Sie Zeitrepräsentations-Gesten
Für Zeitrepräsentations-Gesten gibt es fünf Subtypen:
- Ereignisse zeigen: jemand zeigt auf Erlebnisse/ Zeitabschnitte, als hätten sie eine konkrete Position
- Dauer markieren: die Länge eines Zeitintervalls wird angezeigt, z.B. mit Daumen und Zeigefinger
- Ereignisse positionieren: ein Erlebnis/ Zeitabschnitt wird gestisch im Raum platziert, eher mit lockerer, offener Hand für vage Zeitabschnitte und mit einer Bündelung der Finger bei konkreten Zeitpunkten
- Zeitpunkte verbinden: Gesten gehen einher mit Wörtern wie „davor“, „später“ und „dann“; dabei wird die Hand in einer bogenförmigen Bewegung durch die Luft geführt
- Zeitfluss animieren: die Hand wird z.B. nach vorne bewegt, um den Fluss der Zeit darzustellen
Die zentrale Frage für alle Typen lautet: In welche Richtung gestikuliert eine Person, wenn sie von Zeit spricht (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft)?
Zeit und Raum im Gehirn
Zeit wird in unserem Gehirn räumlich repräsentiert. US-Forscher fanden bereits 2001 heraus, dass das neuronale Areal, mit dem wir den Raum ums uns herum wahrnehmen, ebenfalls anspringt, wenn wir Zeit verarbeiten. Dieses neuronale Areal trägt den Namen „intraparietale Furche“. Sie ist der Grund, warum wir gestisch Raum nutzen, wenn wir über Zeit sprechen.
Quellen
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Rao, S. M., Mayer, A. R., & Harrington, D. L. (2001). The evolution of brain activation during temporal processing. Nature neuroscience, 4, 317-323.
Walker, E., & Cooperrider, K. (2016). The continuity of metaphor: Evidence from temporal gestures. Cognitive Science, 40(2), 481-495.