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Man könnte sagen: Dieses Signal ist ein typisches Wintersignal. Denn wenn es kalt wird und wir frieren, bekommen wir eine Gänsehaut. Der Name kommt daher, weil unsere Haut dann der einer gerupften Gans ähnelt. Während Kälte jedoch nur ein physikalischer Reiz ist, können vor allem emotionale Momente Gänsehaut hervorrufen.

Was so ein Moment sein könnte, ist dabei individuell höchst unterschiedlich. Für den einen sind es künstlerische Leistungen, die einem die Haare am Körper zu Berge stehen lassen. Für den anderen sind es ehrfürchtige Situationen wie die Geburt eines Kindes, Erlebnisse in der Natur, z.B. das Bezwingen eines Berges – oder für den kürzlich auf die ISS geflogenen Astronauten Matthias Maurer ist es bestimmt der Augenblick, wenn er aus dem Bullauge der Raumstation die Erde unter sich sieht.

Was Gänsehaut bedeuten kann

Dieses Signal, das in der Mimikresonanz®-Profibox zum Beobachtungskanal der Psychophysiologie gehört (P2.2), zeigt sich eben nicht nur bei Kälte. Es kann auch auf folgende innere Zustände hinweisen:

  • Ein hohes Arousal, das
    • unangenehm ausgeprägt sein kann, z.B. bei Ekel oder Angst. Hier schaudert es uns.
    • sehr angenehm sein kann, z.B. bei Berührtsein oder Ehrfurcht. Hier sprechen wir von prickelnder Haut.
  • tritt Gänsehaut gemeinsam mit Tränen auf (typischerweise in Momenten des Berührtseins), markiert dies einen Moment eines maximalen emotionalen Höhepunkts
  • Gänsehaut kann sich außerdem bei Überraschung zeigen, was möglicherweise auf den Verstärkungseffekt dieser Primäremotion zurückzuführen ist: Emotionen, die unmittelbar nach Überraschung auftreten, erleben wir in ihrer Valenz, also in ihrer Wertigkeit intensiver (angenehm wie unangenehm)

So erkennen Sie Gänsehaut

Um die Gänsehaut als Körpersprachesignal zu erkennen, lohnt es sich insbesondere auf die Arme zu schauen, wenn diese unbekleidet sind. Sie ist zu erkennen an:

  • kleinen rausragenden „Punkten“ auf der Haut (außer an den Handinnenflächen und den Fußsohlen)
  • die Haare am Körper stellen sich auf, z.B. an den Armen

Aber auch im subjektiven Erleben können wir Gänsehaut als Signal identifizieren. In der subjektiven Körperempfindung lassen sich zwei Arten von Gänsehaut unterscheiden:

  • schaudernde Gänsehaut: uns läuft ein Schauder den Rücken herunter, wir schütteln uns meist kurz
  • prickelnde Gänsehaut: unseren Körper durchströmt ein prickelndes Gefühl

Gänsehaut als Überbleibsel der Evolution

Gänsehaut hatte für unsere Vorfahren die gleiche Funktion in der Wirkung, die sie heute noch für Tiere hat: Durch die aufgestellten Haare bei einer Kampf- oder Fluchtreaktion (Zorn, Panik) wirkten sie größer und gefährlicher. Heutzutage wirkt sie jedoch für uns Menschen fast nur noch intrapersonell nach innen: Gänsehautmomente markieren für uns Augenblicke, in denen unsere tiefsten Sehnsüchte und Ängste angesprochen werden. Die deutlich spürbare Gänsehaut ruft uns quasi zu: „Achtung, das ist gerade wichtig!“, und richtet damit unsere Aufmerksamkeit voll auf den gegenwärtigen Moment und den Auslöser der Gänsehaut.

Gänsehaut ist ein Reflex aus einer Zeit, in welcher der menschliche Körper noch komplett behaart war. Sie ist ein Überbleibsel der Evolution und hat heutzutage keinen physischen Nutzen mehr. Aufgrund des vergrößerten Luftvolumens zwischen den aufgestellten Haaren konnte die Körperwärme nicht so leicht entfliehen und führte dazu, dass die Urzeitmenschen warm gehalten wurden. Dass dies heute auch bei emotionalen Momenten passiert, führen Forscher auf das hohe Arousal zurück, dass auch für Kampf- und Fluchtreaktionen typisch ist.

Quellen

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Darwin, C. (1872/2009). The expression of the emotions in man and animals (4th ed.). New York: Oxford University Press.

Maruskin, L. A., Thrash, T. M., & Elliot, A. J. (2012). The chills as a psychological construct: content universe, factor structure, affective composition, elicitors, trait antecedents, and consequences. J Pers Soc Psychol, 103(1), 135-157.

Neidlinger, K., Truong, K. P., Telfair, C., Feijs, L., Dertien, E., & Evers, V. (2017). AWElectric: that gave me goosebumps, did you feel it too? Paper presented at the Proceedings of the Eleventh International Conference on Tangible, Embedded, and Embodied Interaction.

Schurtz, D., Blincoe, S., Smith, R., Powell, C., Combs, D., & Kim, S. (2012). Exploring the social aspects of goose bumps and their role in awe and envy. Motivation & Emotion, 36(2), 205-217.

Wassiliwizky, E., Jacobsen, T., Heinrich, J., Schneiderbauer, M., & Menninghaus, W. (2017). Tears Falling on Goosebumps: Co-occurrence of Emotional Lacrimation and Emotional Piloerection Indicates a Psychophysiological Climax in Emotional Arousal. Frontiers in Psychology, 8, 41-41.

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Über den Autor: Dirk W. Eilert

Dirk W. Eilert, Jahrgang 1976, ist Experte für emotionale Intelligenz und Entwickler der Mimikresonanz®-Methode sowie des emTrace®-Coachingansatzes. Als einer der führenden Mimik- und Körpersprache-Experten im deutschsprachigen Raum ist seine Expertise regelmäßig in Radio, TV und Printmedien gefragt. Dirk W. Eilert ist verheiratet und hat zwei Töchter. Er lebt in Berlin und leitet dort seit 2001 die Eilert-Akademie.

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