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In Zeiten von Social Distancing ist Abstand zu einer Art sozialen Norm geworden. Und dennoch kommen wir immer wieder in Situationen, in denen Abstand eben nicht möglich ist – zum Beispiel im Fahrstuhl. Sicherlich hatten Sie hier schon einmal das Gefühl, dass Ihnen dabei jemand zu nahe gekommen ist – in Ihre persönliche Distanzzone eingedrungen ist. Die körperliche Nähe als Signal des Interpersonellen Bewegungsverhaltens gehört ebenfalls zur Körpersprache und kann Ihnen in der Analyse einiges Verraten.

Was die Distanzzonen bedeuten können

Distanzzonen - Eilert-AkademieDie interpersonelle Distanz sagt grundsätzlich etwas über den Grad der emotionalen Nähe und Sympathie zwischen Menschen aus. Im Bild sehen Sie die Distanzzonen (I2.1).

  • Der intime Raum ist nahestehenden Menschen vorbehalten: Partner:in, Familie, engste Freunde.
  • Im persönlichen Raum kommunizieren wir mit Menschen, die wir gut kennen: Freunde, gute Bekannte.
  • Der soziale Raum ist eher formell in der Kommunikation: weniger gut bekannte oder fremde Personen.
  • Der öffentliche Raum bildet die äußerste Schicht unseres Interaktionsraums: diesen Abstand halten wir zu fremden Gruppen oder Personen des öffentlichen Lebens ein (je höher der Status, desto größer die Distanz).

Bei prosozialen Emotionen wie Liebe, Dankbarkeit und Mitgefühl nimmt die räumliche Nähe für gewöhnlich zu. Spüren wir hingegen Mitleid (empathischer Stress), nimmt sie eher ab.

Damit eine Kommunikation gelingt, ist es essenziell, die passende interpersonelle Distanz zu wählen und beizubehalten. Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass Menschen massiv mit Stress reagieren, wenn jemand eine ihm unausgesprochen zugewiesene Distanz überschreitet.

Wie zentral die interpersonelle Distanz für unser Wohlbefinden und unser Sicherheitsempfinden ist, lässt sich auch daran erkennen, dass sie neuronal u.a. von der Amygdala im limbischen System gesteuert wird. Durchbricht jemand z.B. die Grenze zum intimen Raum, insbesondere auf Höhe des Gesichts, reagieren wir unmittelbar mit Stress. Spannend ist: Die Grenze ist nicht fließend, sondern sehr scharf markiert. Unsere Stressreaktion steigt also nicht stufenweise, sondern im Fall einer „Grenzverletzung“ von null auf hundert.

So erkennen Sie die Distanzzonen

Der amerikanische Anthropologe Edward Hall unterscheidet vier verschiedene Distanzzonen des zwischenmenschlichen Raums, wobei die Distanzangaben Richtwerte sind, die sich auf die USA beziehen, in Deutschland aber annähernd identisch sind:

  • intimer Raum: näher als 50cm
  • persönlicher Raum: von 50cm bis 1,20m
  • sozialer Raum: von 1,20m bis 3,60m
  • öffentlicher Raum: ab 3,60m

Kulturelle Unterschiede in den Distanzzonen

Intimität und Sympathie sind die Hauptfaktoren dafür, für welche interpersonelle Distanz wir uns entscheiden. Wobei Japaner, Deutsche oder Lateinamerikaner sich hier jeweils unterschiedlich verhalten, da die Distanzzonen auch kulturell bestimmt sind. Während Japaner weltweit tendenziell den größten interpersonellen Abstand wählen, agieren Menschen aus dem Mittelmeerraum, dem Nahen Osten oder Lateinamerika eher in näheren Distanzzonen. Deutsche und Amerikaner liegen hier ungefähr im Mittelfeld.

Quellen

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Gillath, O., McCall, C., Shaver, P. R., & Blascovich, J. (2008). What Can Virtual Reality Teach Us About Prosocial Tendencies in Real and Virtual Environments? Media Psychology, 11(2), 259-282.

Hall, E. T. (1966). The Hidden Dimension. New York, NY: Doubleday.

Matsumoto, D., Hwang, H. C., & Frank, M. G. (2016). The Body: Postures, Gait, Proxemics, and Haptics. In D. Matsumoto, H. C. Hwang, & M. G. Frank (Eds.), APA handbook of nonverbal communication (pp. 387-400). Washington, DC, US: American Psychological Association.

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Sorokowska, A., Sorokowski, P., Hilpert, P., Cantarero, K., Frackowiak, T., Ahmadi, K., . . . Pierce, J. D. (2017). Preferred Interpersonal Distances: A Global Comparison. Journal of Cross-Cultural Psychology, 48(4), 577-592.

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Über den Autor: Dirk W. Eilert

Dirk W. Eilert, Jahrgang 1976, ist Experte für emotionale Intelligenz und Entwickler der Mimikresonanz®-Methode sowie des emTrace®-Coachingansatzes. Als einer der führenden Mimik- und Körpersprache-Experten im deutschsprachigen Raum ist seine Expertise regelmäßig in Radio, TV und Printmedien gefragt. Dirk W. Eilert ist verheiratet und hat zwei Töchter. Er lebt in Berlin und leitet dort seit 2001 die Eilert-Akademie.

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