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Wer sich an die Nase fasst, lügt.
Armeverschränken bedeutet Ablehnung.
Wenn jemand beim Zuhören nickt, bedeutet das Zustimmung.
Wenn sich in den Augenwinkeln Fältchen bilden, ist das Lachen echt.
Sieht uns jemand mit großen Pupillen an, findet uns die Person attraktiv.
Bei wie vielen dieser Sätze haben Sie spontan genickt? Manchen Aussagen mögen Sie vielleicht widersprechen, wenn Sie darüber nachdenken. Die Frage ist, wie wir diese Signale intuitiv interpretieren, wenn sie uns im Alltag begegnen.
Zum Beispiel sehen wir im Restaurant am Nebentisch zwei Männer im Gespräch. Der eine hört dem anderen gerade zurückgelehnt und mit verschränkten Armen zu. Als beobachtende Person mögen wir denken: Das muss keine Ablehnung bedeuten, das ist wahrscheinlich einfach nur bequem. Säßen wir mit am Tisch im Gespräch und wären damit emotional beteiligt, könnte sich unser Urteil ändern. Sehr wahrscheinlich ist, dass wir verunsichert oder irritiert denken: „Warum geht mein Gegenüber denn jetzt auf Distanz?“.
Das heißt, vor allem, wenn wir selbst an der Kommunikation beteiligt sind, verlassen wir uns auf unsere intuitive Interpretation. Und lehnt meist an Körpersprache-Mythen an. In diesem Beitrag bekommen Sie eine Übersicht über 10 Mythen der Körpersprache, die wir im einzelnen für Sie entzaubern.
Wie sich Mythen der Körpersprache bei uns festigen
Die meisten Menschen haben verlernt, die teils subtilen Signale der Körpersprache präzise zu lesen. Studien zeigen, dass die durchschnittliche Emotionserkennungsfähigkeit nur bei rund 60 Prozent liegt (Eilert, 2017). Das heißt, ohne spezielles Wahrnehmungstraining deuten wir jeden zweiten Gesichtsausdruck unseres Gegenübers falsch oder noch schlimmer: übersehen ihn sogar. Dies liegt nicht nur daran, dass viele Menschen verlernt haben, die kleinen und subtilen Signale des nonverbalen Mienenspiels richtig zu lesen. Tatsächlich liegt es auch daran, dass sich z.B. durch Medien und Erziehung viele Mythen der Körpersprache in unseren Köpfen verankert haben.
Dies kann auf unterschiedliche Weise geschehen. Ein möglicher Weg sind emotional intensive Erfahrungen. Beispielsweise waren vielleicht die Pupillen Ihrer großen Liebe beim ersten Kuss vergrößert und Sie haben unbewusst daraus geschlossen: „So sieht das also aus, wenn man verliebt ist“. Ein anderer Informationsweg in unseren Kopf führt über die Wiederholung von Glaubenssätzen in den Medien. So spielt Samuel L. Jackson im Hollywood-Thriller „Verhandlungssache“ einen Verhandlungsexperten, der spektakulär eine Lüge entlarvt, weil sein Gegenüber nach rechts oben schaut. Wobei es sich ebenfalls um einen Körpersprache-Mythos handelt.
Warum wir die Mythen der Körpersprache entzaubern sollten
Unter Mythen der Körpersprache verstehe ich Glaubenssätze über die konkrete Bedeutung bestimmter nonverbaler Signale – wie zum Beispiel, dass ein Verschränken der Arme immer Ablehnung bedeutet. Es handelt sich konkret um Glaubenssätze, die in der allgemeinen Bevölkerung zwar weit verbreitet, aber falsch sind. Falsch in dem Sinne, dass wissenschaftliche Studien sie widerlegt haben.
Es ist wichtig sich dieser Glaubenssätze bewusst zu werden und sie zu entzaubern, weil wir dazu neigen, unser Verhalten unbewusst an unseren Glaubenssätzen auszurichten. Und das sogar dann, wenn wir Erfahrungen machen, die diesen Annahmen widersprechen. Denn wir tendieren dazu, nach Informationen Ausschau zu halten, die unsere vorhandenen Annahmen bestätigen, statt sie zu widerlegen. Dieses Phänomen wird in der Psychologie als Bestätigungsfehler bezeichnet. Dadurch wird das Vertrauen in unsere Glaubenssätze mit der Zeit immer stärker. Dies ist bei den Mythen der Körpersprache umso fataler, da sie sich nicht nur auf unser zwischenmenschliches Miteinander beziehen, sondern auch dessen Qualität beeinflussen.
Was sind Mythen der Körpersprache?
Die zehn größten Körpersprache-Mythen finden Sie in seperaten Beiträgen zum jeweiligen Mythos entzaubert. Hier gebe ich Ihnen allerdings schon einmal einen Überblick über die Täuschungen, die wir meist für wahr halten. Diese Mythen sind:
- In der Kommunikation wirken zu 7 % die Worte, zu 38 % die Stimme und zu 55 % die Mimik.
- Fältchen um die Augen bedeutet, die Freude ist echt.
- Wenn eine Person lügt, nehmen die Beruhigungsgesten zu.
- Die Füße sind der ehrlichste Körperteil.
- Jeder versteht die Bedeutung von Emojis gleich.
- Wenn jemand lügt, unterbricht er den Blickkontakt.
- Die Augenbewegungen verraten, ob eine Person in Bildern, Tönen oder Gefühlen denkt.
- Falten im Gesicht verraten etwas über die Persönlichkeit.
- High-Power-Posen beeinflussen unseren Hormonspiegel.
- Wenn jemand lächelt bedeutet das, derjenige ist glücklich.
Klicken Sie auf den jeweiligen Mythos der Körpersprache für weitere Informationen, wie dieser Mythos entstanden ist und wie Sie es schaffen, diesem Irrtum in Ihrem Alltag nicht zu verfallen.
Wie Sie die Mythen der Körpersprache entzaubern
Zu wissen, dass die zehn Körpersprache-Mythen, die wir in diesem Blog entzaubern, falsch sind, ist bloß der Anfang, Ihre Wahrnehmung Stück für Stück zu öffnen und weiter zu schärfen. Abschließend möchte ich Ihnen deshalb eine Übung an die Hand geben, mit der Sie diesen Prozess fortsetzen können. Diese lässt sich wunderbar in Ihren Alltag integrieren: das 7-Tages-Mythen-Entzauberungstraining.
Tag 1 – Bestandsaufnahme: Notieren Sie auf einem Blatt Beispiele für alle zehn Mythen der Körpersprache, die Ihnen in Ihrem Leben und im Filmen begegnet sind. Wie viele fallen Ihnen ein? Tauschen Sie sich zusätzlich mit Freunden und Bekannten darüber aus. Lernen Sie in den einzelnen Beiträgen die Körpersprache-Mythen kennen und entzaubern. Übrigens hilft Ihnen hier die Mimikresonanz-Profibox dabei, Ihre Wahrnehmung noch weiter zu steigern, indem Sie über 130 Signale der Körpersprache mitsamt der Erkennungsmerkmale und der möglichen Bedeutung lernen.
Tag 2 bis 7 – „Die drei Wahrheiten“: Üben Sie 10 Minuten täglich. Nutzen Sie auch kleine Gelegenheiten im Alltag. Suchen Sie für diese Übung einen Ort auf, an dem Sie Menschen beobachten können oder schauen Sie sich eine Talkshow an:
- Wählen Sie ein konkretes nonverbales Signal aus, das Sie beobachtet haben, z.B. ein schnelles Blinzeln. Mehr Signale finden Sie in unserem „Nonverbal Dictionary“.
- Finden Sie mindestens drei Interpretationsmöglichkeiten für dieses Signal. Je mehr Alternativen Sie entdecken, desto besser. Es geht hierbei nicht um richtig oder falsch, sondern darum möglichst viele Ideen zu sammeln, um so das eigene Blickfeld zu öffnen und die kognitive Flexibilität zu trainieren. Dies fördert divergentes Denken: eine Fähigkeit, die eng mit Kreativität zusammenhängt und gleichzeitig hemmend auf Wahrnehmungsfehler wirkt. Denn das Sammeln von Alternativen ist eine bewährte Strategie, um Bestätigungsfehler zu minimieren und so Mythen zu entzaubern.
Ich wünsche Ihnen von Herzen viel Freude und Inspiration beim Öffnen Ihrer Wahrnehmung sowie dem praktischen Anwenden Ihrer geschärften Sinne.
Wozu sich das Erkennen der Körpersprache-Mythen lohnt
Was werden Sie denken, wenn Sie beobachten, dass die Beruhigungsgesten bei Ihrem Gegenüber zunehmen? Dass er lügt? Oder achten Sie bei einem Lächeln weiterhin auf die Krähenfüßchen in den Augenwinkeln, um zu sehen, ob er oder sie sich wirklich freut? Die Körpersprache-Mythen zu kennen ist ein erster Schritt, die Fehlinterpretationen, die wir im täglichen Miteinander zu machen, zu überprüfen und zu revidieren. Der nächste Schritt ist es dann die Mythen in der Kommunikation mit anderen im Kopf zu haben. Stellen Sie sich vor, Sie unterstellen insgeheim jemandem eine Lüge, nur weil die Person den Blickkontakt unterbricht. So etwas kann sich auf die Beziehung zu der Person auswirken – und nur, weil dieser Glaube weit verbreitet ist, nicht etwa, weil er richtig ist.
Damit zeigt sich ein weiterer Grund, wozu die Entzauberung der Körpersprache-Mythen wichtig ist: Sie räumen mit volkstümlichen Irrtümern auf. Sie lesen hier allein zehn weit verbreitete Glaubenssätze, die von der Forschung nicht belegt, ja sogar widerlegt worden sind. Und Sie sind der Anfang, damit sich diese Mythen allerdings lösen, und es zu weniger Fehlinterpretationen im Alltag kommt. Beginnen Sie damit, für sich und Ihr Umfeld die vorherrschenden Meinungen und vermeintlichen Kenntnisse zu lösen, und durch an wisschenschaftliche Studien angelehnte Fakten über die Körpersprache und die nonverbale Kommunikation zu ersetzen.
Das Erkennen von diesen Mythen der Körpersprache lohnt sich also aus zweierlei Hinsicht: Erstens helfen die Erkenntnisse Ihnen in der Kommunikation mit anderen, sodass Sie auf Ihre Wahrnehmung und auch die korrekte Interpretation der Beobachtung eingehen können. Sie entgehen Vorurteilen, beugen Missverständnissen vor oder können das Gesehene besser einordnen. Zweitens helfen Sie dabei, vermeintliche Fakten aus der Welt zu räumen. So tragen auch Sie dazu bei, dass andere Menschen in Ihrem Alltag von den entzauberten Mythen profitieren.