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Wenn jemandem die „Kinnlade runterfällt“, sehen wir das meist als Verblüffung oder auch Überraschung an. Dabei können Sie dieses nonverbale Signal (F3.12) auch bei jemandem beobachten, der sich gerade auf eine schwierige Aufgabe konzentriert. Das Fallenlassen des Unterkiefers ist ein vielseitiges Körpersprachesignal, das Sie neben vielen Weiteren in der Mimikresonanz®-Profibox finden.

Was das Fallenlassen des Unterkiefers bedeuten kann

Wie bereits beschrieben, ist das Fallenlassen des Unterkiefers ein Hinweis auf die Übergangsemotion Überraschung. Allerdings eher dann, wenn die Bewegung maximal ein bis zwei Sekunden andauert (v.a. wenn die gesamte Körperbewegung für diesen Moment „einfriert“). Darüberhinaus bedeutet dieses Signal Folgendes:

  • es kann ein Hinweis auf Interesse oder Konzentration sein
  • ein Zeichen für Erleichterung, wenn das Öffnen des Mundes mit Ausatmen verbunden ist
  • tritt gemeinsam mit weiteren Zeichen wie dem Hochziehen der Augenbrauen-Innenseiten bei der Emotion Ehrfurcht auf, meist verbunden mit sichtbarem Einatmen
  • in einem Gespräch kann das Öffnen des Mundes abwartendes Zuhören signalisieren

Bei Stress, der z.B. emotional oder durch eine erhöhte kognitive Ladung bedingt sein kann, beschleunigt sich unser Herzschlag und wir atmen schneller. Ein offener Mund, der das Atmen erleichtert, kann dementsprechend ein Hinweis auf ein erhöhtes Stressempfinden sein. Achten Sie darauf, ob die Atemfrequenz erhöht ist.

So erkennen Sie das Fallenlassen des Unterkiefers

Besonders bei den Signalen von Mund und Nase sollten Sie darauf achten, dass es sich bei Ihrer Beobachtung nicht um eine Artikulation geht. Achten Sie deshalb auf folgende Merkmale, wenn Ihr Gegenüber nicht spricht:

  • der Unterkiefer entspannt sich und wird fallen gelassen, die Zähne sind dadurch vermutlich voneinander getrennt
  • meist öffnen sich dabei die Lippen, wodurch der Raum zwischen den Zähnen sichtbar wird

„Mach den Mund zu, sonst kommen Fliegen rein“

Nennt man im Englischen jemanden einen „Mouth Breather“, meint man damit, dass derjenige ein Idiot ist. Umgangssprachlich ist die Wirkung eines hängenden Unterkiefers tief verwurzelt. So kennen wir in der deutschen Sprache die Redewendung: „Mach den Mund zu, sonst kommen Fliegen rein.“ Ein offener Mund lässt uns „dümmlich“ wirken, und dass die meisten Menschen genau diese Wirkung damit verknüpfen, können Sie ganz leicht überprüfen: Bitten Sie einfach jemanden, 20 IQ-Punkte dümmer zu gucken als er ist. Die meisten Menschen lassen auf diese Aufforderung hin spontan ihren Unterkiefer fallen und öffnen den Mund.

Intentionsbewegungen und Sprechabsicht

Sprechabsicht_Eilert-Akademie.deDas Fallenlassen des Unterkiefers kann in einem Gespräch auch signalisieren, dass unser Gegenüber etwas sagen möchte. Er setzt quasi zum Reden an, tut es dann aber doch nicht. Solch eine Handlung, bei der die Absicht erkennbar ist, sie aber nicht komplett ausgeführt wird, nennt man Intentionsbewegung. Wenn eine Person sich beispielsweise nach vorne lehnt, einatmet und den Mund öffnet (siehe Bild), können Sie von einer Sprechabsicht ausgehen.

Ein weiteres schönes Beispiel für eine Intentionsbewegung ist der sogenannte „Sesselgriff“. Wir sitzen auf einem Stuhl und stützen unsere Hände auf die Lehne, um unserem Gegenüber zu verstehen zu geben, dass wir eigentlich los müssten. Weil das Gespräch aber so interessant ist, bleiben wir noch sitzen, vollenden das Aufstehen also nicht.

Quellen

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El Kaliouby, R., & Robinson, P. (2005). Real-time inference of complex mental states from facial expressions and head gestures. In Real-time vision for human-computer interaction (pp. 181-200): Springer.

Luna, T., & Renninger, L. (2015). Surprise. Embrace the Unpredictable and Engineer the Unexpected. New York, NY: Perigee.

Morris, D. (2002). People Watching. The Desmond Morris Guide to Body Language. London: Vintage Books.

Reeve, J. (1993). The face of interest. Motivation and Emotion, 17(4), 353-375.

Shiota, M. N., Campos, B., & Keltner, D. (2003). The faces of positive emotion: prototype displays of awe, amusement, and pride. Annals of the New York Academy of Sciences, 1000, 296-299.

Suess, W. M., Alexander, A. B., Smith, D. D., Sweeney, H. W., & Marion, R. J. (1980). The effects of psychological stress on respiration: a preliminary study of anxiety and hyperventilation. Psychophysiology, 17(6), 535-540.

 

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Über den Autor: Dirk W. Eilert

Dirk W. Eilert, Jahrgang 1976, ist Experte für emotionale Intelligenz und Entwickler der Mimikresonanz®-Methode sowie des emTrace®-Coachingansatzes. Als einer der führenden Mimik- und Körpersprache-Experten im deutschsprachigen Raum ist seine Expertise regelmäßig in Radio, TV und Printmedien gefragt. Dirk W. Eilert ist verheiratet und hat zwei Töchter. Er lebt in Berlin und leitet dort seit 2001 die Eilert-Akademie.

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