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Bestimmt haben Sie im Radio oder Fernsehen schon mal ein Gespräch verfolgt, in dem der Interviewte auf eine ihm gestellte Frage erst nach kurzem Überlegen antwortete oder aber seine Antwort von Füllwörtern wie „ähm“ oder „äh“ geprägt war. Im Wahlkampf konnte man das zuletzt bei diversen Politiker:innen häufiger beobachten. Wer so reagiert, wirkt damit unsicher und schlecht vorbereitet. Allerdings nutzen Politiker:innen im Gegenzug in ihren eigenen Reden auch Sprechverzögerungen ganz bewusst, damit die Zuhörenden ihnen leichter folgen können und das Gesagte besser verstehen.

Was Sprechverzögerungen bedeuten können

Es handelt sich bei Sprechverzögerungen um ein Signal der Stimme, welches Sie zusammen mit sechs weiteren Signalen dieser Kategorie in der Mimikresonanz®-Profibox finden. Es hat folgende Bedeutungen:

  • neben kognitiver Unsicherheit auch ein Zeichen für eine erhöhte kognitive Ladung
  • (Kommunikations-)Angst in zwischenmenschlichen Situationen
  • Füllwörter dienen auch manchmal dazu, um Momente der Verlegenheit zu überbrücken
  • als Gesprächsregulatoren signalisieren Füllwörter ebenso, dass der Sprecher seine Äußerung noch fortsetzen wird
  • eine zeitlich verzögerte Antwort, vor allem auf eine unerwartete Frage, kann auf eine Lüge hinweisen
  • wer hingegen bewusst lügt, verwendet eher selten Füllwörter, um beim Gegenüber kein Misstrauen zu erzeugen

Übermäßig viele Sprechverzögerungen, die zu einer deutlich langsameren Sprechgeschwindigkeit führen, können die Kompetenzwirkung negativ beeinflussen. Im Gegenzug haben Studien ergeben, dass ein schnelleres, flüssigeres Sprechtempo mit mehr Kompetenz in Verbindung gebracht wird.

In einer weiteren Studie bewerteten die Probanden Redner, die viele Füllwörter verwendeten, als schlechter vorbereitet, langweiliger und nervöser.

So erkennen Sie Sprechverzögerungen

Sprechverzögerungen als Sprechstil (V2.2) zeigen sich typischerweise in drei Formen:

  • Sprechpausen nehmen zu
  • Füllwörter nehmen zu (z.B. mhm, äh, ähm usw.)
  • die Person antwortet auf eine Frage mit zeitlicher Verzögerung

Füllwörter und Illustratoren

Sprechverzögerungen und Gestik scheinen miteinander verbunden zu sein. Wer beim Reden nicht gestikuliert, benutzt stattdessen etwa drei mal so viele „ähms“. Das fand eine amerikanische Studie im Jahr 1990 heraus.

Die Forscher analysierten darin Sprechstil und Gestik, u.a. von 18 Gastrednern an der Columbia Universität in New York. Die durchschnittliche Rede dauerte dort 54 Minuten, wobei die Referenten 20 Prozent der Zeit gestikulierten und pro Minute durchschnittlich 3,17 „ähms“ artikulierten. Das Spannende dabei: Waren die Hände in Bewegung, um die Worte zu unterstreichen, gab es durchschnittlich nur etwas mehr als ein „ähm“ pro Minute. Während Füllwörter also anzeigen, dass unser Gehirn nach den nächsten Worten sucht, scheinen redebegleitende Gesten zu signalisieren, dass der innere Suchprozess vollendet ist.

Quellen

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Brennan, S. E., & Schober, M. F. (2001). How Listeners Compensate for Disfluencies in Spontaneous Speech. Journal of Memory and Language, 44(2), 274-296.

Brennan, S. E., & Williams, M. (1995). The feeling of another s knowing: Prosody and filled pauses as cues to listeners about the metacognitive states of speakers. Journal of Memory and Language, 34(3), 383-398.

Christenfeld, N. (1995). Does it hurt to say um? Journal of Nonverbal Behavior, 19(3), 171-186.

Christenfeld, N., Schachter, S., & Bilous, F. (1991). Filled pauses and gestures: It’s not coincidence. Journal of Psycholinguistic Research, 20(1), 1-10.

Clark, H. H., & Tree, J. E. F. (2002). Using uh and um in spontaneous speaking. Cognition, 84(1), 73-111.

Harrigan, J. A., Suarez, I., & Hartman, J. S. (1994). Effect of Speech Errors on Observers Judgments of Anxious and Defensive Individuals. Journal of Research in Personality, 28(4), 505-529.

Krahmer, E., & Swerts, M. (2005). How children and adults produce and perceive uncertainty in audiovisual speech. Language and Speech, 48(1), 29-53.

Mukawa, N., Sasaki, H., & Kimura, A. (2014). How do verbal/bodily fillers ease embarrassing situations during silences in conversations? Paper presented at the The 23rd IEEE International Symposium on Robot and Human Interactive Communication, Edinburgh, Scotland, UK.

Weitere Quellen finden Sie im Literaturverzeichnis der Mimikresonanz®-Profibox.

 

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Über den Autor: Dirk W. Eilert

Dirk W. Eilert, Jahrgang 1976, ist Experte für emotionale Intelligenz und Entwickler der Mimikresonanz®-Methode sowie des emTrace®-Coachingansatzes. Als einer der führenden Mimik- und Körpersprache-Experten im deutschsprachigen Raum ist seine Expertise regelmäßig in Radio, TV und Printmedien gefragt. Dirk W. Eilert ist verheiratet und hat zwei Töchter. Er lebt in Berlin und leitet dort seit 2001 die Eilert-Akademie.

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