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Dass wir mit dem Finger nicht auf andere Menschen zeigen sollen, das lernen wir schon als Kind. Doch auch im Erwachsenenalter nutzen wir den Zeigefinger, um jemand anderen auf etwas aufmerksam zu machen: „Guck mal, hast du das da gesehen?“. Die Zeigegesten gehören in der Mimikresonanz®-Profibox zum Beobachtungskanal der Gestik und sind dort unter den redebegleitenden Gesten (Illustratoren) zu finden (G1.2).

Was Zeigegesten bedeuten können

  • mit dem Zeigefinger zeigen wir typischerweise auf etwas Konkretes, die ganze Hand nutzen wir, um eine grobe Richtung zu signalisieren
  • möchte eine Person eine andere heimlich auf etwas aufmerksam machen, wird manchmal mit den Augen in die entsprechende Richtung „gezeigt“
  • das Gestikulieren mit ausgestrecktem Zeigefinger tritt vermehrt bei Ärger auf
  • je nach kulturellem Hintergrund zeigt ein Mensch auf einen anderen Körperbereich, wenn er „Ich“ sagt: Chinesen und Japaner z.B. zeigen mit dem Zeigefinger auf ihre Nasenspitze, während die meisten anderen Kulturen auf den Brustkorb deuten

Zeigen wir auf etwas, lenken wir damit die Aufmerksamkeit anderer Menschen und erhöhen gleichzeitig unsere Dominanzwirkung.

Kleiner Fun-Fakt am Rande: In manchen Regionen, wie Südostasien, Afrika oder Südamerika, ist das Zeigen mit den Lippen eine weitverbreitete Form der Zeigegeste. Dabei schürzt die Person die Lippen, legt den Kopf leicht in den Nacken und zieht die Augenbrauen hoch. Diese spezielle Form wird dort nur verwendet, wenn sich das, worauf gedeutet wird, in Sichtnähe befindet. Andernfalls wird ebenso der Zeigefinger/ die Hand genutzt.

So erkennen Sie Zeigegesten

  • die Hand zeigt mit den Fingerspitzen in eine bestimmte Richtung oder auf einen bestimmten Ort (aus der Ich-Perspektive)
  • Kulturübergreifend wird am häufigsten der Zeigefinger genutzt, um auf etwas zu zeigen
  • Zeigegesten reichen im Gestenraum bis in die Peripherie hinein
  • in der Regel schaut die Person in die Richtung, in die sie zeigt
  • zeigt die Person nach hinten, wird manchmal der Daumen genutzt

Zeigegesten in der Kommunikation mit Hunden

Auch Hunde reagieren auf Zeigegesten und finden z.B. ein verstecktes Leckerli, wenn darauf gezeigt wird. Eine mögliche Erklärung: Hunde leben am längsten (seit ca. 15.000 Jahren) mit uns zusammen und haben gelernt, unsere Körpersprache zu lesen. Laut neuesten Studien haben Hunde möglicherweise ein separates neuronales Netzwerk in ihrem Gehirn, um menschliche Gesichter zu verarbeiten. Für die Gesichter ihrer Artgenossen hingegen werden andere Gehirnareale aktiviert.

Zeigegesten bei Babys

Zeigegesten gehören zu den ersten Gesten, die wir zu Beginn unseres Lebens ausführen. Babys zeigen z.B. auf den Vater und sagen „Dada“. Die Eltern bestätigen: „Ja, das ist Papa“. Auf diese Weise lernt das Kind neue Wörter und ersetzt die Gesten Stück für Stück durch Sprache. Das Faszinierende: Durch dieses Verhalten lassen sich auch frühkindliche Sprachstörungen vorhersagen. In einer Studie fanden Forscher anhand der Zeigegesten heraus, welche Wörter ein Kleinkind drei Monate später in der Lage ist zu sprechen. Bleiben daher die Gesten aus, lässt dies auf eine Verzögerung der Sprachentwicklung schließen.

Quellen

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Über den Autor: Dirk W. Eilert

Dirk W. Eilert, Jahrgang 1976, ist Experte für emotionale Intelligenz und Entwickler der Mimikresonanz®-Methode sowie des emTrace®-Coachingansatzes. Als einer der führenden Mimik- und Körpersprache-Experten im deutschsprachigen Raum ist seine Expertise regelmäßig in Radio, TV und Printmedien gefragt. Dirk W. Eilert ist verheiratet und hat zwei Töchter. Er lebt in Berlin und leitet dort seit 2001 die Eilert-Akademie.

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